Kindesmissbrauch: Vier Jahre Haft
Wuppertal · Familien aus Barmen vertrauten ihrem Nachbarn wie einem Opa. Nun ist der 55-Jährige wegen Kindesmissbrauchs und Besitz von Kinderpornographie verurteilt worden. Erstaunlich: Er zeigte vor seiner Entdeckung eine Mutter beim Jugendamt an.
Sichtlich verunsicherte Angehörige auf dem Gerichtsflur, Kinder, die in Pausen ihrer Zeugenaussagen umarmt und getröstet wurden — diese Bilder umreißen einen über sechs Wochen laufenden Prozess gegen einen allein stehenden Angeklagten (55) aus Barmen. Das Landgericht verurteilte den Mann am Donnerstag wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs und Besitzes von Kinderpornographie zu vier Jahren Gefängnis.
Das Gericht ging in seinen Feststellungen sogar über die Anklage der Staatsanwaltschaft hinaus: "Wir sind überzeugt: Er ist der Täter auf diesen Filmen." Noch zudem sei offensichtlich, dass eines der gefilmten Kinder während der Handlungen nicht wach gewesen sei.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der frühere Kraftfahrer hat im Verfahren geschwiegen. Laut Zeugen setzte er sich seit Jahrzehnten für Kinder in seiner Nachbarschaft ein. Demnach war er teils als Pflegevater aktiv. Er soll wie ein Opa Pommes und Nudeln in einer Art "Kinderwunderland" gekocht und Kinder zu Übernachtungen bei sich behalten haben. Spielsachen in der Wohnung stammten wohl zumindest teilweise von seinen Enkelkindern.
Der Angeklagte fiel auf, nachdem im vergangenen Winter auf einem Schülerhandy Kinder-Nacktfotos aufgetaucht waren. Die Polizei durchsuchte seine Wohnung und fand weiteres Material.
Erschwert wurde die Aufklärung, weil der Angeklagte vor der Entdeckung die Mutter eines mutmaßlichen Missbrauchsopfers (14) beim Jugendamt angezeigt hatte: Sie sorge schlecht für ihren Sohn. Kurz darauf wählte der Junge den Umzug in ein Heim.
Dem 14-Jährigen soll die Mutter vor seiner ersten Vernehmung gesagt haben, was die Polizei angeblich schon wisse: Der Angeklagte habe Kinder "betatscht" und fotografiert. Und sie soll hinzugefügt haben: "Ich mache ihn fertig. Ich will ihn bluten sehen." Sie soll — wie mehrere andere Personen auch — zeitweise einen Schlüssel zur Wohnung des Mannes gehabt haben.
Die nicht öffentliche Schilderung des 14-Jährigen werteten die Richter dennoch als überzeugend: "Dass es eine Beeinflussung gab, heißt nicht, dass die Aussage falsch ist."
Mehrere Angehörige haben erklärt, wegen des Verfahrens den Kontakt mit dem Angeklagten abgebrochen zu haben. Sie seien erschrocken und könnten sich das Gehörte nicht erklären: "Die Kinder sind eigentlich immer gern zu ihm gegangen."
Das Urteil ist noch angreifbar. Der 55-Jährige bleibt vorerst in Untersuchungshaft. Ein Computer wird als Tatmittel eingezogen.