Werkzeug-Branche Heimwerker - die verkannte Wirtschaftsmacht für Werkzeughersteller
Das Handwerk wird von der Handwerkskammer als Wirtschaftsmacht von nebenan beworben. Handwerker werden immer benötigt und die Handwerksberufe sind teilweise so alt wie die Menschheit selbst. Doch eine ganz andere Wirtschaftsmacht wird dabei unterschätzt, denn: Im deutschsprachigen Raum wird das Handwerk nach wie vor sehr geschätzt und so gibt es viele Privatpersonen, die sich auch ohne handwerklichen Ausbildungsberuf beachtliche Kenntnisse im sogenannten 'Heimwerken' erworben haben.
Was zählt zur Branche der Heimwerker?
Einige reparieren ihre Autos selbst, andere bauen sich selbst eine Terrasse nebst Überdachung oder sie bauen den Boden unterm Dach in Eigenregie zu weiterem Wohnraum aus. Hinzu kommen die feineren Arbeiten wie das Zuschneiden und Nähen von Leder oder Stoff für die Autositze, das Reparieren und Restaurieren oder Aufpolstern von Möbeln. Nicht zu vergessen das Wissen übers Gärtnern inklusive der Selbstversorgung mit Obst und Gemüse. Das Selbermachen ist nicht mehr nur ein Trend, sondern inzwischen wieder Tradition, weil wir uns das alte Wissen unserer Vorfahren neu zunutze machen.
Wie können Heimwerker die Wirtschaft beeinflussen?
Besonders der Werkzeugindustrie fällt insbesondere seit den Lockdowns im Jahr 2020 auf, dass Heimwerken im Trend liegt. Doch die eigentliche Steigerung begann bereits in 2010. So hat die GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) für 2015 eine Investitionssteigerung im Bereich 'Hausbau und Renovierung' um 15 % verzeichnet. Der Geldwert dieser 10 % ist beeindruckender, denn es sind 39,2 Milliarden Euro. Diese Investitionslust wurde zudem durch die Nullzins-Politik der Banken unterstützt. Dabei lassen sich drei besonders prominente Positionen ausmachen:
- Viele Heimwerker schätzen das Vorhandensein von preisgünstigeren Werkzeuglinien für ihre geringeren Ansprüche. Hierdurch bietet sich für Hersteller eine lukrative Möglichkeit, Werkzeuge zu geringeren Produktionskosten abzusetzen.
- Zubehör bzw. Verschleißteile ist ein äußerst wichtiger Punkt für weitere Umsätze. Verschiedene Selbermacherwerkzeuge können mit diversen Aufsätzen betrieben werden. So gibt es etwa im Bereich von Bandsägen verschiedene Blätter allein für die Metallbearbeitung – neben solchen für andere Materialien. Dadurch können Unternehmen ein recht großes Portfolio an werkzeugspezifischem Zubehör anbieten, wodurch die Einkünfte weit über den reinen Verkauf von Basiswerkzeugen hinausgehen.
- Viele Heimwerker professionalisieren sich zusehends. Dies schlägt sich primär im Erwerb von eigentlich für den Profi-Bereich gedachten Werkzeug- und Zubehörserien nieder. Dadurch werden diese hochpreisigen Segmente ebenfalls gestärkt.
Die Folgen für die Marktsituation
Inzwischen ist Heimwerken längst mehr ein Lebensgefühl als nur 'Selbermachen ist günstiger'. Wer sich selbst helfen kann, ist eindeutig im Vorteil, denn die 'Selbermacher' werden unabhängiger.
Um all dies aber bewerkstelligen zu können, benötigen die Heimwerker eigenes Werkzeug, Geräte und Materialien sowie Ersatzteile - und darin liegt ihre Wirtschaftskraft. Die notwendigen Anschaffungen sind Investitionen in das eigene Haus und fürs eigene Wohlbefinden - damit ist das Geld gut angelegt.
Unsere Werkzeughersteller haben dies erkannt - und nicht nur die, sondern auch die großen Discounter, welche teilweise eigene Werkzeugmarken haben. Der führende deutsche Werkzeughersteller Bosch entwickelte spezielle Geräte für Profis und für Heimwerker. Diese sind zu unterscheiden durch die Linien Bosch Blau (für Profis) und Bosch Grün (für Heimwerker). Hinzu kommt der Ersatzteile- und Zubehörmarkt. Das Internet ermöglicht es jedem, für seine Geräte die zur Marke passenden Ersatzteile selbst zu kaufen oder er erhält Beratung im Baumarkt. Wer Hilfe beim Einbau benötigt, findet online die passende Anleitung.
Leider hat der Werkzeugmarkt noch nicht daran gedacht, auch verstärkt alle Werkzeuge für Arbeiten in Haus und Garten als 'Handwerkzeuge' anzubieten, sodass jeder Heimwerker auch ohne Strom seine Projekte verwirklichen kann. Wem nützen die teuren Elektro- und Akkugeräte, wenn eine Energiekrise zu Stromausfällen führt?
Der Wandel im Bau- und Werkzeugmarkt
'Konzept und Markt' (Dähne Verlag) hat Mitte April 2022 eine neue Baumarktstudie herausgegeben mit dem Titel 'Markenperformance im DIY-Markt. Darin geht es um die Rolle der Baumärkte und Heimwerkermärkte sowie um deren Kompetenz aus der Sicht der Profi-Handwerker. Die kostenpflichtige Studie ist direkt beim Herausgeber erhältlich. Doch allein, dass sie online bei 1.000 Handwerkern durchgeführt wurde, zeigt, dass der Werkzeug- und Baustoffmarkt einen offensichtlich deutlichen Wandel hin zum Baumarkt erlebt.
Die Fakten der Branchenentwicklung
Der BHB (Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten e.V.) veröffentlichte im März 2022 auf einer Pressekonferenz die Umsatzzahlen (Gesamtbrutto) für das vorangegangene Jahr 2021 in der sogenannten D/A/CH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz). Demzufolge hat der DIY-Markt in Deutschland 20,33 Milliarden Euro Umsatz erzielt. Dieses Ergebnis ist um 8,2 % schlechter als der Umsatz aus 2020, dem Jahr mit den Lockdown-Zeiten. In Österreich ist der Umsatz der Branche um 2,5 % gestiegen - auf 3,04 Milliarden Euro und ebenso in der Schweiz um 5,8 % auf 3,92 Milliarden Euro.
Die Branchenentwicklung in Deutschland war 2020 sprunghaft von 19,46 Mrd auf 22,14 Mrd. angestiegen und hält sich im Jahrestrend in der positiven Entwicklung. Das ist mehr als ein Trend.
Der BHB prognostiziert auch für das Jahr 2022 ein weiterhin hohes Wachstum für die E-Commerce-Umsätze in den Bereichen Heimwerkersortiment, Gartensortiment und Baustoffsortiment.
Überprüfung
Der GfK-Konsumklima-Index 2020/2021 mit Ausblick für 2022 stützt den positiven Trend nicht. Im Gegenteil, hier wird deutlich, dass sich die Stimmung der (sogenannten) Verbraucher seit Mai 2020 deutlich verschlechtert hat. Die Menschen gaben weniger Geld aus. Ursache dafür war ab Mai zunächst die Pandemie mit ihren Einschränkungen. Dabei verloren viele Menschen ihren Arbeitsplatz, mussten ihre selbstständige Arbeit aufgeben oder sie erhielten mit dem Kurzarbeitergeld deutlich weniger Geld als zuvor. Sobald weniger Geld zur Verfügung steht, kann auch nur noch eingeschränkt eingekauft oder konsumiert werden.
Ab Juli 2021 gab es eine leichte Erholung, da die Beschränkungen aufgehoben wurden und sogar Urlaubsreisen möglich waren. Viele Menschen verbrachten ihren Urlaub innerhalb Deutschlands und konsumierten dabei auch wieder mehr. Doch seit Dezember 2021 schwächt die stetig steigende Inflation den Wert unseres Geldes. Das verteuert den üblichen Wocheneinkauf, sodass viele Menschen diesen Einkauf deutlich reduzieren und sich auf die wichtigsten Dinge beschränken. Nur so ist der historische Tiefpunkt im April 2021 zu erklären.
Wird dadurch auch tatsächlich weniger im DIY-Markt konsumiert?
Diese Frage lässt sich vorausschauend nicht beantworten. Sicher ist aber, dass jede Ausgabe für die eigenen Projekte in Haus und Garten oder am Auto eine gute Investition in die eigene Unabhängigkeit ist. Jede Reparatur ist eine Werterhaltung und das Geld ist damit sicherer angelegt, als wenn man nur in Aktien investiert. Balkon und Garten oder auch Grünpflanzen in der Wohnung tun den Menschen gut. Sie spenden nicht nur Sauerstoff, sondern nehmen auch das ausgeatmete CO2 auf. Es ist also sinnvoll, weiterhin in DIY-Projekte zu investieren und wegen der derzeitigen Energieprobleme sollten auch die wichtigsten Werkzeuge für den 'Handbetrieb' in jeder Heimwerker-Werkstatt vorhanden sein. Demnach ist es durchaus möglich, dass die oben genannte Wachstums-Prognose für die E-Commerce-Umsätze in der Heimwerker-Branche tatsächlich zu verzeichnen sein wird und sie die deutsche Wirtschaft ein wenig auffängt.
Aktuell: Der Trend zum eigenen Obst- und Gemüsegarten
Der BHB-Hauptgeschäftsführer Peter Wüst teilte der Presse mit: "Dieser Trend zieht sich durch alle Altersgruppen und geht oft einher mit der Rückbesinnung auf den eigenen Nutzgarten." Damit gemeint ist der Trend zur Selbstversorgung durch den Anbau von Obst und Gemüse im eigenen Garten oder auf dem Balkon.Die Preise für frische Lebensmittel wie Obst und Gemüse steigen deutlich - selbst wenn diese aus der eigenen Region kommen. Hinzu kommt das Bekanntwerden bevorstehender Lieferengpässe, das Unsicherheiten auslöst. Weiterhin hat der Bundeskanzler vor einer (weltweiten) Lebensmittelkrise (Hungerkrise) gewarnt.Aus all diesen Gründen gibt es nun laut dem Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten offenbar deutlich steigende Verkaufszahlen bei Saatgut und Anzuchtpflanzen. Diesem Trend liegt das stetig größer werdende Bedürfnis der Menschen, sich selbst versorgen zu können zugrunde.
Ausblick: Wird die DIY-Branche weiterhin eine Wirtschaftsmacht bleiben?
Vermutlich ist diese Frage mit 'ja' zu beantworten, doch derzeit ist die Zukunft ungewiss. Dennoch zentriert sich das Leben immer mehr auf unser 'Home':
- arbeiten im 'Home Office'
- lernen im 'Home Schooling'
- kochen und backen im 'Home Cooking'
- Urlaub: 'Home Vacation'
- renovieren heißt heute 'Home Renovation'
- Gemüseanbau und Hühner im Garten: 'Home Farming'
Durch diese Umstellung unseres Lebens brauchen wir ein Umdenken und vermutlich eine neue Organisation innerhalb der Familie. All dies führt zum Ausmisten und Aufräumen der Wohnräume sowie zu öfter notwendigen Umbauten und Renovierungen in unserem Zuhause.