Haushalt und Investitionen In „extremer Situation“ Planungssicherheit schaffen

Wuppertal · Ukraine-Krieg, Inflationsrate, Energiepreisrekorde, gestörte Lieferketten, veränderte Steuerschätzungen, steigende Zinsen, Materialknappheit, Fachkräftemangel und explodierende Kosten im Baubereich: Die turbulenten Entwicklungen, im Wesentlichen als Folge des Ukraine-Krieges, sorgen auch in Wuppertal dafür, dass verlässliche Prognosen zu den Haushalten und zu geplanten Investitionsprojekten kaum noch möglich sind.

Stadtkämmerer Dr. Johannes Slawig.

Foto: Christoph Petersen

Daher hat der Stadtrat bereits beschlossen, statt des ursprünglich geplanten Doppelhaushaltes für die Jahre 2022 und 2023 lediglich einen Einjahreshaushalt für 2022 zu verabschieden. Die Probleme bei der Erarbeitung des Investitionsprogramms des GMWs haben zudem zur zweimaligen Verschiebung der Vorlage für den Haushalt geführt. Jetzt legt die Verwaltung eine Aktualisierung dieses Haushaltsplan-Entwurfes für das Jahr 2022 vor, ergänzt um die mittelfristige Finanzplanung bis zum Jahr 2026.

„Die Planungsgrundlagen brechen bundesweit weg. Unter derart chaotischen Rahmenbedingungen muss es unser Ziel sein, schadlos durch diese schwierige Phase zu kommen, um wieder größtmögliche Planungssicherheit zu gewinnen“, begründet Oberbürgermeister Uwe Schneidewind den Vorschlag. „Wir steuern auf ganz kurze Sicht. Dies bedeutet, dass wir alle Entscheidungen zurückzustellen, die zurückgestellt werden können, bis wir wieder klarer sehen, und zunächst nur die Projekte fortsetzen, die zwingend weitergeführt werden müssen.“

Fortgeführt werden Projekte, die bereits im Bau sind oder die mit erheblichen Fördermitteln realisiert werden. Dazu gehören etwa die Grundschule Haselrain, die Bühnentechnik des Opernhauses oder das Freibad Mählersbeck; ebenso notwendige Bauunterhaltungsmaßnahmen, auch wenn in diesem Bereich ebenfalls mit gewaltigen Preisanstiegen gekämpft wird. Alleine um die Projekte dieses ersten Paketes umsetzen zu können, sind zusätzliche Kredite in Höhe von 20 Millionen Euro erforderlich, die den Ergebnishaushalt belasten.

Das Gebäudemanagement reagiert auf diese Kostensteigerungen, indem bei allen künftigen Kalkulationen 8,5 Prozent Baukostenindex pro Jahr eingepreist werden. Priorisiert würden außerdem Projekte, die zwingend umgesetzt werden müssen (Gebäude Giebel des Ressorts Grünflächen und Forsten aus Gründen des Arbeitsschutzes), die mit hohen Förderzusagen hinterlegt sind (Pina-Bausch-Zentrum) oder die sich mittelfristig durch Energieeinsparung amortisieren (Energetische Sanierung Zoo-Gebäude).

Phase der Konsolidierung ist unumgänglich

Allen Beteiligten sei klar, dass die Aussetzung von weiteren Durchführungsbeschlüssen insbesondere für den von Rat und Verwaltung einhellig priorisierten Bildungs- und Betreuungsbereich erneut Enttäuschungen bedeute.

„Unser Anspruch muss aber die Belastbarkeit unserer Aussagen sein“, erklärt Schneidewind dazu. „Die ist aktuell jenseits der bereits laufenden Maßnahmen nicht seriös herzustellen. Gleichzeitig können und wollen wir kein Projekt streichen. Daher sollen weiterhin Planungskostenanteile für künftige Projekte budgetiert werden, um sobald wie möglich wieder in die Projektumsetzung zu kommen. Dazu brauchen wir jetzt eine sicher sehr ernüchternde und unbefriedigende, aber leider unumgängliche Phase der Konsolidierung.“

Der notwendige Schulraum für 1.100 aus der Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche müsse in einem Sonderpaket geschaffen werden, das dem Rat getrennt zur Entscheidung vorgelegt und aus dem bereits beschlossenen Ukraine-Sonderfonds finanziert werden soll, mit der Erwartung einer Refinanzierung durch den Bund.

Risiken nur schwer zu beziffern

Die besonderen Herausforderungen bei der Einbringung der Entscheidungsgrundlagen angesichts der aktuellen Entwicklungen betont auch Stadtdirektor Johannes Slawig: „Die Bedingungen führen dazu, dass sich die Haushaltsentwicklung massiv verschlechtert. Schon für dieses Jahr erwarte ich einen Fehlbetrag im Haushalt. In den folgenden Jahren bis 2026 werden die Defizite deutlich ansteigen. Verursacht durch die Folgen des Ukrainekrieges, vor allem steigende Energiekosten, teilweise sinkende Steuereinnahmen, Kosten für die Aufnahme und Unterbringung Geflüchteter aus der Ukraine, aber auch Personalkosten. Diese Fehlbeträge werden nach jetzigem Stand dazu führen, dass im Planungszeitraum bis 2026 die Ausgleichsrücklage aufgezehrt wird und nach den Vorschriften der Gemeindeordnung ein Haushaltssicherungskonzept erforderlich würde.“

Außerdem werde – anders als angekündigt - kein Investitionsprogramm des GMWs bis zum Jahr 2026 vorgelegt: „Die Preise und Bauzeiten sind momentan nicht mehr kalkulierbar. Daher können aktuell nur die laufenden Baumaßnahmen fortgeführt und deren Finanzierung in den Jahren 2022 und 2023 gesichert werden, ebenso Planungskosten in diesem Jahr für einige dringende Baumaßnahmen. Die Planung aller anderen Maßnahmen sowie deren Finanzierung können erst zusammen mit der nächsten Haushaltsplanung 2023 entschieden werden. Bis dahin müssen eine Konsolidierung der Planungsgrundlagen, deren Abstimmung mit dem Haushaltsplan sowie die ausstehende Priorisierung geleistet werden.“

Mit den aktuell laufenden Projekten bearbeite das GMW ein Planungs- und Bauvolumen von 100 Millionen Euro und bewege sich damit angesichts explodierender Preise am absoluten Limit der Finanzierbarkeit. „Viele Entscheidungen müssen zurückgestellt werden, so bitter das für die Betroffenen ist. Das schlimmste Szenario wären Baustopps oder Zahlungsunfähigkeit mitten in der Realisierung.“

Planungshoheit und Handlungsfähigkeit wiedergewinnen

In den kommenden Monaten müsse es das Ziel sein, Planungshoheit und Handlungsfähigkeit wiederzugewinnen, so Schneidewind und Slawig. „Dazu erwarten wir in wichtigen Punkten Klärungen, denn dies ist ein bundesweites Problem, das keine Stadt alleine bewältigen kann. Wir führen die Gespräche mit dem Land zu einer Altschuldenlösung und einer angemessenen Finanzausstattung der Kommunen. Beides ist im gemeinsamen Aufgaben-Paket einer schwarz-grünen Koalition für NRW verankert, muss aber jetzt kurzfristig konkretisiert werden.“

Die Städte bräuchten ein Sonderprogramm zur Schaffung von Schulraum: „Wir werden die Neuausrichtung unseres GMWs – auch mit externer Unterstützung - mit Hochdruck vorantreiben und haben ein engmaschiges Monitoring für die laufenden Projekte. Außerdem werden Modellprojekte für alternative Beschaffungsoptionen vorgeschlagen, etwa PPP-Projekte, Investorenvorhaben und Anmietungen. Pilotiert werden sollen unter anderem die Kitas Grafenstraße und Leihbuschstraße, Rettungswachen und das Ausbildungszentrum der Feuerwehr. All dies ist notwendig, um die Situation beherrschbar zu machen.“

Schneidewind und Slawig versprachen, dass die konkreten Projektierungen vorgenommen werden, sobald eine relative Gewissheit über Eckdaten und Rahmenbedingungen zurückgekehrt sei: „Das Maß der Unwägbarkeiten in dieser extremen Ausnahmesituation ist ohnegleichen, die Faktoren liegen überhaupt nicht in unserer Hand. Wenn keine verlässlichen Entscheidungsgrundlagen vorhanden sind, ist es ein guter Rat, das Abflauen der Turbulenzen abzuwarten und dann den Kurs wiederaufzunehmen.“