Lebens- und liebenswerte Stadt Frag nicht, was Wuppertal für dich tun kann, sondern was Du für Wuppertal tun kannst!

Wuppertal hat ein Problem, das viele Städte mit uns teilen. Es nennt sich Erwartungshaltung. Viele Einwohner sind der Ansicht, dass es Sache der Stadtväter sei, sich darum zu kümmern, welche Anmutung eine Gemeinde hat.

Wie lebens- und liebenswert unsere Stadt ist, liegt nicht nur in den Händen der Verwaltung, sondern jedem einzelnen Einwohner.

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Ein unglaublich breit gestecktes Feld, das beim Verkehr beginnt, sich über Grünanlagen zieht und beim Thema Sauberkeit noch längst nicht endet. Zugegeben: Natürlich ist das "große Ganze" in der Tat eine kommunale Aufgabe, dafür zahlt man schließlich Steuern. Doch Steuern sind kein Ablasshandel. Soll bedeuten, wie schön, zukunftsfähig und lebenswert eine Stadt ist, kann nicht ausschließlich Sache des Rathauses sein, sondern hängt auch von denen ab, die hier leben. Was also kann und sollte man als Wuppertaler tun?

Einige Zahlen: Wuppertal hat 359.661 Einwohner, die in 198.219 Wohnungen leben. Und immer wieder hört man die Klage, dass Großstädte "so anonym" seien. Ja, das mag stimmen, aber woran liegt es? Ist es Sache der Stadtverwaltung, dafür zu sorgen, dass sich die Einwohner auf zwischenmenschlicher Ebene näherkommen? Sicher nicht.

Fakt ist: In einem "anonymen" Mehrfamilienhaus leben die Parteien wesentlich dichter beieinander als in der Reihenhaussiedlung, die immer wieder als Positivbeispiel für anti-anonyme Besiedlung herangezogen wird. Warum also nutzen nicht mehr Wuppertaler ihre Nähe zum Nachbarn, um besagte Anonymitätsgrenzen einzureißen? Schon ein freundliches "Guten Morgen, wie geht's?" auf der Treppe ist der erste Schritt dazu. Und es ist nicht schwer, ein guter Nachbar zu werden. Doch dazu ist es notwendig, seinen Kokon zu verlassen:

  1. Öfter mal miteinander plauschen, statt aneinander vorbeizurennen
  2. Gegenseitig bei Problemen des Alltags helfen, statt wegzusehen
  3. Nicht jede Störung so eng sehen

Nachbarschaft ist gleich nach der Familie die kleinste Zelle des Miteinanders. Niemand hindert einen daran, die Initiative zu ergreifen, und für Sommerabend im Hausgarten oder Hof ein Grillfest für die Bewohner auf die Beine zu stellen. Aber das funktioniert eben nur, wenn einer den Anfang macht und offen signalisiert "ich möchte, dass wir gute Nachbarn sind". Man wird sich wundern, wie viele im eigenen Haus das auch wollen.

Nachbarschaft beginnt im Kleinen. Etwa damit, dass man einfach mit allen eine kleine Feier organisiert.

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Wuppertal wird oft als Deutschlands grünste Großstadt betitelt. Doch mehr geht immer und es ist nicht (nur) Sache der Kommune — die hat schlicht und ergreifend nicht genug Geld, um sich auch noch großmaßstäblich darum zu kümmern, dass Wuppertal noch ansehnlicher wird.

Tatsache ist jedoch, dass eine umfassende Stadtbegrünung nicht nur eine optische Verschönerung ist, sondern auch das städtische Mikroklima nachhaltig zum Besseren verändert. Es führen sehr viele Wege zur nachhaltig-grünen Kommune. Singapur, Kapstadt und Kopenhagen machen vor, wie es geht. Doch im Gegensatz zu diesen schwerreichen Städten kann das bei uns keine rein kommunale Aufgabe sein, allein schon, weil Aufwand und Kosten bereits jetzt schon enorm sind. Doch man kann es trotzdem erreichen, indem wir alle anpacken:

  1. Hausbesitzer können Vorgärten begrünen, können Dächer bepflanzen
  2. Mieter können die Straßenfenster ihrer Wohnungen mit Blumenkästen schmücken
  3. Freiflächen können im Stil des Guerilla Gardening bzw. des Urban Farming begrünt werden

Pflegt dann die Stadt noch die bestehenden Grünflächen unter ihrer Regie und gibt weitere zur Begrünung durch die Bevölkerung frei, kommen wir dem Ziel eines noch grüneren, liebenswerteren und klimatechnisch optimierten Wuppertals schon sehr nahe — und wer vor seinem Haus sieht, dass ein eigentlich städtischer Blumenkasten ziemlich ausgetrocknet ist, kann auch damit helfen, dass er den Blumen unbürokratisch eine Gießkanne spendiert, statt auf die "Jungs in Orange" zu warten.

Im vergangenen Sommer beendete der Wuppertaler "Club für Behinderte" sein Engagement. Grund: Zersplitterung, Mitgliederschwund. Das Schicksal dieses Vereins ist symptomatisch für das gesamte Vereinswesen. Nicht nur in Wuppertal. Ob Fußballverein, Kegelklub oder Modellbau-Stammtisch: Alles, was unter die Kategorie Verein fällt, befindet sich in einem Sturzflug aus Überalterung und Mitgliederschwund. Das mag Menschen, die keinen Hang zu Gruppenhobbys haben, nicht tangieren. Tatsache ist jedoch, dass mit der Vereinskultur ein gutes Stück Lebensqualität innerhalb einer Stadt schwindet.

Jeder Verein braucht Mitglieder, braucht Betreuer, braucht Trainer. Und Wuppertal bietet für praktisch jedes Hobby etwas.

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Denn Vereine waren niemals nur Selbstzweck, sondern wirkten immer als Multiplikator. Der Schützenverein zog für sein Schützenfest hunderte Gäste an, der Fußballclub bot vielen Unterhaltung nach Feierabend. Und dann darf man auch nicht die Jugendarbeit vergessen. Jugendliche im Verein werden betreut, statt im Internet zu versauern. Sie haben eine Anlaufstelle, Kontakt zu Gleichgesinnten und lernen Verantwortung.

Allerdings braucht das Menschen, die bereit sind, ihr Hobby mit anderen zu teilen. Zugegeben: Ein wenig ist das deutsche, oftmals streng hierarchische Vereinssystem selbst an seiner Misere Schuld, weil es nicht auf veränderte Lebensgewohnheiten reagierte. Vieles entspringt jedoch auch einem stark reduzierten Verantwortungsgefühl der Bürger für ihre Mitmenschen. Es ist das gleiche Prinzip wie bei der Nachbarschaft, nur etwas größer. Ein jeder Wuppertaler sollte daher prüfen, was er gerne mag. Mit ziemlicher Sicherheit gibt es Gleichgesinnte oder sogar einen passenden Verein. Und wenn nicht, braucht es nur sieben Mitglieder, eine aus dem Internet heruntergeladene Satzung und einen Gang zur Stadtverwaltung und ein eingetragener Verein entsteht. Ganz gleich was sein Thema ist, er ist wichtig, um Menschen einen Anlaufpunkt zu geben.

In Wuppertal leben unzählige, die Hilfe benötigen. Das können Flüchtlinge sein, bei denen zu den normalen Sprachbarrieren auch noch die hochkomplexe Wortwahl deutscher Amtsschreiben kommt. Das können die Tafeln sein, die dringend Leute suchen, welche die Spenden abholen, sortieren und verteilen. Es können aber auch die freiwilligen Feuerwehren sein, die heute bei Alarmen schon oft Probleme haben, weil viele Feuerwehrleute zu weit weg arbeiten, um zeitnah ausrücken zu können.

Es gibt unzählige Gruppen, die nur durch das Ehrenamt existieren können. Und weil immer weniger Menschen eine "soziale Ader" haben, darbt das System — diejenigen, die noch mitmachen, werden überlastet und geben irgendwann auf. Es ist leicht zu verstehen, welche Schneeball-Gefahr sich dahinter verbirgt.

Ehrenamt bedeutet, gänzlich un-egoistisch für andere da zu sein. Ohne solche Menschen bricht jede Stadt zusammen.

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Auch hier ist die Antwort einfach: Ein kleines Stück seiner Freizeit abzweigen, um sich für diejenigen in Wuppertal zu engagieren, die Hilfe benötigen. Eine Stadt lebt nur dadurch, dass es immer eine Anzahl Menschen gibt, die Engagement nicht am Kostenfaktor festmachen, sondern einfach helfen.

Alle interessieren sich für Umweltschutz. Doch sobald er ans Portemonnaie oder die Bequemlichkeit geht, wird das Gemurre groß. Weil damit die Freiwilligkeit nachlässt, muss die Kommune, das Land oder der Bund mit Gesetzen eingreifen — und schon wächst der Zorn gegenüber dem "Obrigkeitsstaat", dem "Nanny State", der seine Bürger gängelt.

Man muss nicht großartig über Klimawandel und die Notwendigkeit zur Abänderung diskutieren, weil diese Tatsachen sind. Worüber man jedoch diskutieren kann, ist, welche Rolle das freiwillige Verhalten jedes Wuppertalers dabei spielt. Denn eigentlich ist es ganz einfach: je mehr die Menschen von sich aus tun, desto weniger muss der Staat mit Zwängen arbeiten. Und es gibt eine Menge kleinster Umweltschutzmaßnahmen, die jeder in seinen Alltag implementieren kann:

  1. Verpackungsmüll reduzieren und streng trennen
  2. Den Fleischkonsum reduzieren und mehr auf regionales Gemüse setzen
  3. Die Füße, das Fahrrad, ÖPNV oder Mitfahrgelegenheiten nutzen, um den Berufsverkehr zu entschlacken
  4. Nicht im Überfluss kaufen und wenn, dann das, was übrig bleibt, nicht wegwerfen, sondern spenden.

Umweltschutz bringt auch Lebensqualität: Jeder Pendler, der „umsattelt“, entlastet Wuppertals Verkehrswege ein Stück.

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Je mehr Wuppertaler mitmachen, desto mehr Umweltschutz, das ist klar. Doch gleichsam wird unsere Stadt auch generell lebenswerter, ohne dass es die Stadtkasse auch nur einen Cent kostet. Ja, damit werden wir auch freiere Menschen, weil durch die Freiwilligkeit ein Grund weniger besteht, dass die Dinge irgendwann per Gesetz befohlen werden.