Bergische Uni Die Ponzi-Masche und Monsanto

Wuppertal · Mit dem Versprechen hoher Renditen köderte Charles Ponzi Anfang des 20. Jahrhunderts Anlegerinnen und Anleger und entwickelte ein Geschäftsmodell, mit dem er sein Vermögen in kurzer Zeit um ein Vielfaches erhöhte. Doch entlarvt wurde er 1920 schließlich als einer der größten Betrüger seiner Zeit. Ein Jahr100Wissen-Interview mit Prof. Dr. André Betzer, Lehrstuhl für Finanzwirtschaft und Corporate Governance an der Bergischen Universität, über die Ponzi-Masche und das Sparen in der heutigen Zeit.

Professor Dr. André Betzer.

Foto: Marcel Haupt

Charles Ponzi, italienischer Immigrant in den USA, war einer der größten Betrüger seiner Zeit. Mit seiner so genannten Ponzi-Masche ging er 1920 in die Geschichte ein. Was hat er gemacht?

Betzer: Die Ponzi-Masche hat ihren Ursprung in einer legalen Transaktion, welche zunächst tatsächlich eine sehr hohe Rendite ermöglichte. Diese Transaktion beruhte auf Arbitrage mit Ersatzbriefmarken – International Reply Coupons –, die es im internationalen Schriftverkehr ermöglichen, einem Brief ins Ausland direkt ein Rückporto beizulegen. Der Wert solcher Antwortscheine war ursprünglich an die jeweiligen Währungen gekoppelt. Als nach dem ersten Weltkrieg die europäischen Währungen drastisch an Wert verloren, blieben die Preise für die Antwortscheine in lokaler Währung jedoch zunächst unverändert. Somit konnten beispielsweise in Italien mit einem US-Dollar deutlich mehr Antwortscheine als in den USA erworben werden und ein Umtausch von diesen Coupons in amerikanische Briefmarken und anschließend wieder in US-Dollar ermöglichte hohe Arbitragegewinne beziehungsweise dreistellige Renditen. Da Ponzi zur Umsetzung dieses Systems Startkapital benötigte, begann er im ersten Schritt, kleine Beträge bei italienischen Sparern aus Boston zu sammeln und zahlte diese mit sehr hohen Renditen zurück. In Folge brachten immer mehr Kunden ihr Geld zu seiner neu gegründeten Firma „Securities Exchange Company“. Allerdings war sein Arbitragehandel nur im kleinen Ausmaß logistisch umsetzbar und nicht beliebig skalierbar – aufgrund der begrenzten Anzahl von Antwortscheinen. Dies endete letztlich damit, dass Ponzi keine weiteren Antwortscheine erwarb, sondern die geforderten Zinsen einfach aus den Neuanlagen bezahlte, welche durch seine hohen Renditeversprechungen stets weitergetätigt wurden. Aufgrund seiner zuverlässigen Auszahlungen – falls von Kunden gefordert – wurden die fälligen Zinsen durch die Sparer häufig auch unmittelbar wieder reinvestiert. Das Ponzi-System „funktionierte“ einwandfrei.

Wie köderte er seine Anlegerinnen und Anleger?

Betzer: Ponzi versprach sehr hohe Renditen, die keine Bank den Sparern bieten konnten. Er sicherte ihnen 50 Prozent Rendite in 45 Tagen oder 100 Prozent in drei Monaten zu. Zudem verfasste die Boston Post damals einen günstigen Bericht über Ponzi und führte ihm dadurch noch einmal viele Anleger zu. Des Weiteren bezahlte er seine Kunden zunächst stets zuverlässig aus und machte sich auch die Mundpropaganda der italienischen Einwanderer zunutze.

Wie kam man ihm auf die Schliche?

Betzer: Im Laufe der Zeit wurde die Presse auf Ponzi aufmerksam. Also nicht die Post, die Regulierung oder gar die Regierung, sondern die Presse. Ein Verlagserbe der Boston Post, Richard Grazier, der zuerst sehr positiv über diese Masche berichtete, recherchierte genauer über Ponzi und fand dessen Vorstrafen heraus. Die in Folge dann negative Berichterstattung über die wundersame Renditeerzielung und sein angebliches Geschäftsmodell – welches nicht im großen Stil funktionieren konnte – führten dazu, dass viele Kunden ihr Geld zurückforderten. Ponzi konnte zunächst dieser Entwicklung noch standhalten. Allerdings kollabierte sein System dann und er stellte sich der Staatsanwaltschaft.

In jüngerer Zeit hat sich in einem noch viel größeren Rahmen der Anlagebetrüger Bernard Madoff der Ponzi-Masche bedient. Der Gesamtumfang des Schadens wurde zum Zeitpunkt des Prozesses 2008 gegen Madoff auf mindestens 65 Milliarden Dollar (rund 51 Milliarden Euro) veranschlagt. Wie konnte sich ein so spektakulärer Fall von 1920 noch einmal wiederholen?

Betzer: Menschen lernen oft eben doch nicht aus der Geschichte. Solche Systeme leben von der Hoffnung der Menschen, einmal das „große“ Geld zu haben. Anleger werden mit hohen Renditen und regelmäßigen Ausschüttungen gelockt. Die nebulösen Geschäftsmodelle, die diesen Renditen zugrunde liegen, werden häufig ausgeblendet. Aus der verhaltensökonomischen Sichtweise können solche Fälle beispielsweise durch das menschliche „Herdenverhalten“ oder den sogenannten „Bestätigungsirrtum“, also die Auswahl beziehungsweise Interpretation von Informationen oder Fakten nach einer bereits vorgefassten Meinung, begünstigt werden. Wir haben ein bestimmtes Bild von Politikern: Angela Merkel oder Donald Trump. Und egal was zukünftig kommt, wir beurteilen alle Informationen über diese Menschen nach unserer vorgefassten Meinung. So werden sinnvolle Argumente gegen solche Systeme häufig ignoriert oder gar als Verschwörungstheorien aufgefasst.

Gibt es Parameter im Finanzwirtschaftsbereich, nach denen Anlegerinnen und Anleger heute „relativ“ sicher investieren können?

Betzer: Bei jeder Investitionsentscheidung gilt es, zwischen dem Risiko, der Rentabilität und der Liquidität einer Anlage abzuwägen. Wenn einem suggeriert wird, dass eine Anlage risikolos sowie höchst rentabel ist und das Kapital jederzeit zur Verfügung steht, könnte es sich dabei auch um eine Ponzi-Masche handeln. Typischerweise können seriöse Anlagen nicht alle drei Kriterien vollständig erfüllen. Danach müssen Anleger zum Beispiel entscheiden, wieviel Rentabilität oder Liquidität sie bereit sind aufzugeben, um eine höhere Sicherheit zu erhalten. Wir alle wissen um die Niedrigzinsen: Wenn man heute Geld bei einer Bank auf ein Tagesgeldkonto oder auf ein Sparbuch anlegt, dann verliert man real tatsächlich. Man bekommt vielleicht 0,3 oder 0,5 Prozent Rendite, aber hat auch in dem Jahr 1,5 Prozent Inflation, man verliert also. Gibt es dennoch eine Möglichkeit zu sparen? Ja! Auch wenn es auf den ersten Blick kurios erscheint, führt kein Weg daran vorbei, dass wir, wenn wir „relativ“ sicher investieren wollen, in Aktien anlegen sollten. Man kann in Aktien „relativ“ sicher investieren, aber es darf nicht in nur eine bestimmte Aktie sein. Bei einer Aktie kann immer etwas unvorhergesehen Negatives passieren. Das sieht man zum Beispiel an Bayer und den Problemen bei der Monsanto-Übernahme. Wenn man jedoch in einen breiten Aktienindex investiert, also in einen Korb von mehreren Aktien, dann investiert man „relativ“ sicher, insbesondere, wenn man bereit ist, mindestens zehn Jahre oder etwas länger auf das eingesetzte Kapital zu verzichten, zum Beispiel bei Investitionen in Rentensparpläne. Empirische Studien zeigen, dass man bei Investitionen in relativ effizienten Aktienmärkten wie dem S&P500, Aktienindex USA, über einen zehnjährigen Zeitraum, wenn man diese Zeit abgewartet hat, und zwar egal an welchem Tag man eingestiegen ist, im schlechtesten Fall jährlich „nur“ ein Prozent verloren hat und im besten Fall jährlich 19 Prozent Rendite gemacht hat. Wartet man noch ein bis zwei Jahre länger, gibt es gar kein einziges historisches Fenster mehr mit einer negativen Rendite, das heißt das eingesetzte Kapital bleibt mindestens erhalten. Dieser Fakt müsste den Leuten noch besser vermittelt werden. Wenn man sich damit nicht intensiv beschäftigt, ist es auch nicht einfach zu begreifen. Die Kurse gehen täglich hoch und runter und manchmal schwanken sie sehr stark. Aber ich weiß, dass ich mit meinem Aktieninvestment auf lange Sicht eine positive Rendite machen werde, wenn ich die Ruhe habe, zu warten. Und das ist auch unsere Aufgabe an die Jugend, diese wichtige empirische Evidenz zu vermitteln, damit sie besser für ihre Altersvorsorge sparen kann.