Wuppertaler Klage ASS-Prozess: "Das lief alles reibungslos ab"
Wuppertal · Die (zivilrechtliche) Aufarbeitung des umstrittenen Kfz-Werbegeschäftes zwischen der Stadt Wuppertal und der Bochumer Sportmarketingfirma ASS steht zurzeit auf der Tagesordnung des Bochumer Landgerichtes.
Die Stadt Wuppertal will von ASS Geld zurück.
Dass bei dem ganzen Geschäft, dessen Ursprung ins Jahr 2004 zurückreicht und eine finanzielle Dimension von etwa 800.000 Euro hat, etwas nicht koscher sei, war und ist die Auffassung des geschassten Ex-Rechtsdezernenten Panagiotis Paschalis. Obwohl Rechnungsprüfungsamt und Stadtspitze den Fall ASS als rechtlich unbedenklich bewertet hatten, betrieb Paschalis im Jahr 2016 die Einschaltung von Landeskriminalamt und Bezirksregierung. Beide Behörden werten die Sache als korruptionsverdächtig.
Vor dem Bochumer Landgericht wurden beim bisher letzten Verhandlungstag sieben Zeugen gehört: Zwei ehemalige und der aktuelle Geschäftsführer der Wuppertal Marketing GmbH (WMG), Andreas Kletzander, Matthias Haschke und Martin Bang, drei Mitarbeiter von ASS sowie der von 1991 bis 2008 amtierende Leiter des Wuppertaler Straßenverkehrsamtes, Lothar Moderegger. Nicht befragt werden konnten zwei handelnde Personen aus Wuppertal, in deren Ägide der Beginn des ASS-Geschäftes fällt: Der 2015 verstorbene WMG-Geschäftsführer Georg Sander sowie der frühere Ordnungsdezernent und Ex-CDU-Parteichef Udo Hackländer, der seit 2013 nicht mehr lebt.
Wie alles begann, berichtete Lothar Moderegger: Er schilderte eine Zeit, in der es wegen Großflottenzulassungen "einen regelrechten Unterbietungswettbewerb zwischen den deutschen Zulassungsstellen mit Rabatten auf die bundeseinheitlichen Zulassungsgebühren" gegeben habe. Ordnungsdezernent Udo Hackländer, der, so Moderegger, "offenbar jemanden bei der Firma ASS kannte", sei zu ihm gekommen, habe etwa 6.000 bis 8.000 Kfz-Anmeldungen pro Jahr in Aussicht gestellt — und ihm dann gesagt, "da müsste man aber wegen der Gebühren natürlich was machen". Lothar Moderegger als Zeuge: "Ich habe ihm gesagt, nein — die Nummer kommt bei mir nicht in Betracht. Er hat auch nicht versucht, mich dazu zu bewegen. Die Rabattierung ist dann wohl durch die Aufkleber-Aktion über WMG gelaufen."
Eingestielt worden war damals folgendes Verfahren: Auf der Basis eines bis 2005 befristeten (!) Werbevertrages einigten sich Stadt Wuppertal und die Firma ASS darauf, dass jedes der mehreren Tausend in Wuppertal zugelassenen ASS-Fahrzeuge (mit W-Kennzeichen) einen Wuppertal-Werbeaufkleber erhält. Für das Anbringen dieses Aufklebers, den die Stadt Wuppertal lieferte, gab es als Werbekostenzuschuss rund 8,70 Euro (plus Mehrwertsteuer) aus Wuppertal an ASS zurück. Die gesetzlich festgeschriebene Kfz-Zulassungsgebühr (vor dem Landgericht war von 28 Euro die Rede), die ASS pro Fahrzeug zu zahlen hatte, sank damit um jene 8,70 Euro plus Steuer. Der auf 2005 befristete Vertrag zwischen Stadt und ASS wurde nie verlängert, das Geschäft lief aber weiter — bis 2016. In Rede stehen mehrere Hunderttausend Euro, die währenddessen geflossen sind.
Rechtlich unzulässig war das Ganze beispielsweise, weil die Firma ASS zum Zeitpunkt des Geschäftsstartes keine Niederlassung in Wuppertal hatte — die ASS-Autos hätten daher gar nicht in Wuppertal zugelassen werden dürfen. Zwischenzeitlich änderte sich das: Ein ASS-Prokurist sagte vor Gericht aus, man habe sich "eine Firmenadresse in Wuppertal angeschafft" — und zwar die Privatadresse eines Wuppertaler Gesellschafters von ASS. Von dort sei regelmäßig angerufen und zwei- bis dreimal pro Woche die Kfz-Zulassungspost aus Wuppertal nach Bochum gebracht worden.
Großes Durcheinander herrschte in den Zeugenaussagen dazu, wer für die Lieferung der Wuppertal-Werbeaufkleber zuständig war, ob sie (nach)bestellt oder "einfach so" zugeschickt wurden, ob sie eventuell direkt vor Ort im Wuppertaler Straßenverkehrsamt angebracht wurden — und ob sich überhaupt jemand dafür interessierte, ob sie angebracht wurden. Ob also die (Werbe-)Leistung, die ASS gegenüber der Wuppertal Marketing GmbH zu liefern hatte, überhaupt stattfand.
Die drei WMG-Geschäftsführer, die unisono aussagten, ein jeweils funktionierendes Geschäft von ihrem jeweiligen Vorgänger übernommen zu haben, konnten hier nichts Klärendes beitragen. Andreas Kletzander: "Wir gingen alle davon aus, der Vertrag läuft weiter. Die Kooperation mit ASS war langfristig beabsichtigt." Matthias Haschke: "Ich habe das übernommen, es gab keinerlei Kontakt zu ASS, das lief alles reibungslos ab." Martin Bang, der die WMG seit 2013 leitet: "Ich habe ein bestehendes System übernommen. Den Ursprungsvertrag von 2004 kannte ich nicht. Dass es keinen Vertrag gab, ist erst 2016 aufgefallen, als die Aktenlage überprüft wurde." Bang weiter: Aufkleber seien während seiner Zeit nie angefordert und nie verschickt worden. Um die Sache habe er sich nie gekümmert, er habe "zu viel anderes zu tun" gehabt.
Auch die ASS-Mitarbeiter konnten kein Licht ins Aufkleber-Dunkel bringen: Darüber, wer wen (und ob überhaupt) informiert hat, wenn neue Aufkleber gebraucht wurden, gab es keine klaren Aussagen. Sowohl der Satz "Die Aufkleberbeschaffung ist Sache der WMG", als auch "meinem Eindruck nach waren die Aufkleber nicht Mittelpunkt des Vertrages" waren zu hören. Grundsätzlich galt für ASS aber, so ein Zeuge: "Bei mehr als 6.000 Kfz, da muss die Anmeldung gut laufen und mit Wuppertal lief das rund."
Amtsleiter Moderegger, der für die Massenzulassungen vor den eigentlichen Öffnungszeiten auf eine Gruppe besonders motivierter Mitarbeiter zurückgreifen konnte, ergänzte: "Meine Gebührenkasse stimmte. Ich hatte gute Leute. Das lief. Das Geld kam rein, die Aufkleber gingen raus. Was andere da verrechnet haben, weiß ich nicht."
Für Ex-WMG-Geschäftsführer Andreas Kletzander jedenfalls war, so seine Zeugenaussage, klar: "Die Stadt hat einen finanziellen Vorteil wegen 8.000 Zulassungen. Alle anderen bekamen den entsprechenden Wuppertal-Werbeaufkleber umsonst, ASS musste 8,70 Euro pro Stück dafür bezahlen, weil damit die Pflicht verbunden war, den Aufkleber auch tatsächlich anzubringen."
Ob das allerdings tatsächlich verlässlich geschah, und ob sich irgendwer für die Kontrolle des Gegengeschäftes interessiert oder zuständig gefühlt hat, bleibt bisher offen. Ebenso wie die Frage, ob das Gerichtsverfahren in Bochum mit der Anhörung zusätzlicher Zeugen weitergeht, oder ob es demnächst schon ein abschließendes Urteil gibt.