Ein ganzer Kindergarten lernt Gebärdensprache Alle sprechen mit Lasse
Wuppertal · "Er ist für uns ein Riesengeschenk." Diana Gerhardt steht auf dem Flur ihres Sonnborner Kindergartens an der Kirchhofstraße und das "Riesengeschenk" hockt gerade auf dem Boden und zieht sich bunte Gummistiefel an.
Lasse, drei Jahre alt, blonde Löckchen, fröhlich und ziemlich pfiffig. Lasse ist gehörlos, keineswegs ohne Sprache. Er spricht mit den Händen. Und für ihn, durch ihn, können das hier alle.
Vor einem Jahr, im August 2017, berichtet die Rundschau zum ersten Mal über den gehörlosen Jungen, seine engagierten Eltern und die voller Tatendrang steckende Kita-Leiterin Diana Gerhardt. Lasse, so wünschte es sich die Familie damals, soll in den gleichen Kindergarten wie seine zwei großen Geschwister gehen. Aber wie würde er sich dort verständigen? "In dem wir die Gebärdensprache lernen", erklärte Gerhardt ganz pragmatisch die große Herausforderung, vor der manch eine Einrichtung vielleicht gekniffen hätte.
An der Kirchhofstraße machten alle mit. Die Erzieherinnen lernen seitdem in ihrer Freizeit, nach Feierabend, Wörter in die Luft zu malen. Die Kinder bekommen von einer Gebärden-Lehrerin Besuch am Spieltisch. Und das alles schon einige Zeit bevor Lasse da war. Man wollte auf ihn vorbereitet sein.
Und so hatte Lasse im September 2017 seinen ersten Kindergartentag und alle gebärdeten "Herzlich willkommen". Während Lasse seitdem selbstverständlich dazu gehört, meldeten sich andere Eltern gehörloser Kinder bei Diana Gerhardt. Dass man in Sonnborn mit den Händen erzählt, spricht sich herum.
Ihr Engagement, das mittlerweile Landtagsabgeordnete wie Josef Neumann in die Kita lockt und über das sie bundesweit Vorträge hält, ist für Diana Gerhardt selbst nur die reale Umsetzung eines so oft und überall gehörten Schlagwortes. Inklusion, sagt sie mit ihrer festen Stimme, bedeute nicht, in Festreden das Besondere zu betonen. "Es bedeutet das Zusammensein aller Menschen. Auf eine selbstverständliche Art und Weise."
Dass dieses Ideal Lasse auch als Schulkind erfahren soll, ist der nächste Meilenstein, über den die Familie nachdenkt. "Wir wünschen uns, dass Lasse eine Schule in unserer Nähe, in Vohwinkel oder Sonnborn besucht", sagt Vater Horst Schaufler. Aber wird er dort auch so willkommen sein?
Diana Gerhardt und ihr Team werden weiter machen. Mit Lasse hat ja nur alles angefangen. Sprachen lernt man fürs Leben. "Ich bin sehr froh, diese so beeindruckende und starke Familie kennen gelernt zu haben", sagt Gerhardt beim Abschied am Tor. "Kennen Sie den Gebärdennamen von Lasses Mutter", fragt sie noch und macht als Antwort mit den Armen eine Rennbewegung. "Weil diese Frau niemals ruht…."
Für die Rundschau gebärden Lasse und seine Geschwistern mit Gebärden-Lehrerin Barbara Mecknèche im Video ein Buch.