90 Mrd. Euro Kaufkraftverlust für Zinssparer seit 2011
Dass die Niedrigzinsen den Sparern hierzulande besonders zu schaffen machen, ist kein großes Geheimnis. Ein genauerer Blick auf das Ausmaß an Kaufkraftverlusten für Zinssparer ist jedoch beeindruckend.
Einer Statistik des Verbraucherportals Tagesgeldvergleich.net zufolge haben die Sparer sei 2011 insgesamt einen Kaufkraftverlust von ca. 90 Milliarden Euro hinnehmen müssen. Eine enorme Zahl, die aufzeigt, welche Schwierigkeiten die anhaltend niedrigen Zinsen mit sich bringen. Doch wie sieht in hinter den Kulissen aus? Welche Ursachen hat die Problematik und was können Anleger tun?
Auch wenn die Zinsen niedrig liegen, werden ja nach wie vor Zinsgewinne erwirtschaftet. Das Tagesgeld liegt nach Erhebungen der Bundesbank bei durchschnittlich 0,02% pro Jahr, wobei es natürlich auch bessere Angebote gibt. Im Bereich Festgeld existieren heute Angebote von bis zu 2% Zinsen pro Jahr — allerdings gilt dies nur bei besonders langen Laufzeiten. Diese Zinsgewinne werden als nominal bezeichnet, weil in der Betrachtung die Preissteigerungsrate fehlt. Wird diese mit eingerechnet, ergibt sich die Kaufkraftveränderung für Sparer. Ein kleines Beispiel soll dies verdeutlichen:
Jemand legt 1.500 Euro auf einem Tagesgeldkonto an und erhält dafür 0,4% pro Jahr. Die Inflationsrate liegt allerdings bei 1,2%. Darauf ergibt sich dann folgende Veränderung der Kaufkraft:
Anlagebetrag: 1.500 Euro
Rendite durch Tagesgeld (0,4%): 6 Euro
Inflation (1,2%): 18 Euro
Kaufkraft am Ende des Jahres: 1.488 Euro
Die reale Verzinsung der Geldanlage läge also bei minus 0,8% pro Jahr, so dass von den 1.500 Euro am Ende des Jahres nur 1.488 Euro Kaufkraft übrigbleiben. Der Anleger hat zwar nominal 1.506 Euro auf dem Konto, aber weil die Preise stärker gestiegen sind, kann er sich davon nur noch so viel kaufen, als ob er 1.488 Euro besitzt.
Auf den ersten Blick lässt sich natürlich schnell ein Verursacher der Kaufkraftverluste ausmachen. Schließlich ist es ja die Inflation, die die Kaufkraft auffrisst. Ein Blick auf die Inflationsstatiken der letzten Jahre zeigt jedoch ganz klar, dass die Inflationsraten sehr moderat ausgefallen sind. Seit 2012 lag die Jahresinflation nur einmal über 2% - dem Wert, den die Europäische Zentralbank als Marker für die langfristige Geldwertstabilität gesetzt hat. Somit scheiden besonders hohe Inflationsraten als Ursache für den Kaufkraftverlust also aus. Vielmehr existieren zwei andere wichtige Aspekte, die das Problem sehr gut aufzeigen:
- Die niedrigen Zinsen
- Das niedrige Zinsniveau ist die Hauptursache für den Kaufkraftverlust der Sparer. Die Zinsen liegen bereits seit einigen Jahren auf einem historisch niedrigen Niveau und machen Geldanlagen wie Tagesgeld oder Festgeld eher unattraktiv. Der Grund für die niedrigen Einlagenzinsen liegt in der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) begründet. Diese hat seit langem keine Änderungen an den wichtigen Leitzinssätzen vorgenommen:
- Refinanzierungssatz: Der Refinanzierungssatz beschreibt die Konditionen, zu denen sich Banken von der EZB neues Geld für ihre Bankgeschäfte beschaffen können. Der Zinssatz liegt bereits seit langem bei 0,0%, so dass Banken stets kostenfrei an neuen Geld herankommen. Dementsprechend ist die Motivation niedrig, Bankkunden für ihr Geld entsprechend attraktive Konditionen zu bieten. Dies sorgt dafür, dass Sparer aktuell nur sehr mäßige Zinsangebote in Anspruch nehmen können.
- Einlagefazilität: Die Einlagefazilität ist der Zinssatz, mit dem die EZB den Banken Einlagen verzinst, die am Ende eines Tages nicht für andere Bankgeschäfte verwendet wurden. Dieser Zinssatz liegt schon lange bei minus 0,4%. Somit müssen die Banken also Geld dafür bezahlen, dass sie Einlagen bei der EZB halten. Sie können diese jedoch auch nicht anderweitig lagern (außer als Bargeld oder an andere Banken verleihen). Somit ist die Neigung zum Aufbau entsprechender Guthaben bei den Banken gering, was sich zusätzlich negativ auf die Sparzinsen auswirkt.
- Das niedrige Zinsniveau ist also ganz klar eine Folge der EZB-Zinspolitik. Diese hofft, mit den niedrigen Zinsen die wirtschaftlich schwächeren Länder innerhalb der EU stützen zu können. Dies funktioniert innerhalb eines gewissen Rahmens auch sehr gut. Andererseits schauen dafür eben die deutschen Sparer in die Röhre.
- Die Mentalität der deutschen Anleger
- Die Deutschen galten schon immer als sehr konservative Anleger, die riskantere Anlageansätze wie Aktien oder auch Anleihen gescheut haben. Mittlerweile hat zwar ein leichtes Umdenken stattgefunden, jedoch zeigt die obige Statistik, dass immer noch sehr viele Deutsche auf Geldanlagen wie Tagesgeld oder Festgeld setzen. Da die Sparzinsen jedoch auch mittelfristig nur langsam steigen werden, lohnt sich dieses Vorgehen kaum noch.
Da sich an der Zinssituation für Anleger nicht viel ändern lässt, besteht lediglich die Möglichkeit, das eigene Anlageportfolio zu erweitern. Es sollten also Möglichkeiten gefunden werden, renditeträchtigere Geldanlagen zu finden. Die folgenden Möglichkeiten könnten dabei interessant sein:
- ETF: Börsengehandelte Fonds (Exchange traded funds = ETF) sind mittlerweile zu einer echten Alternative für sicherheitsorientierte Anleger geworden. Im Normalfall setzt man dabei auf einen Fonds, der einen bestimmten Aktienindex (z.B. DAX oder EURO STOXX) abbildet. Da die Fonds kein aktives Management benötigt, sind die Kosten gering und das Verlustrisiko wird durch die Orientierung auf viele Aktienwerte minimiert.
- Fonds: Auch herkömmliche Aktien- und Rentenfonds können durchaus eine interessante Ergänzung für das eigene Anlageportfolio darstellen. Hier sollten sich Anleger natürlich ein wenig über die Anlagestrategie informieren.
- Immobilien: Auch in Investment in Immobilien (Eigenheim oder Mietobjekt) sowie in Immobilienfonds ist eine überlegenswerte Option. Für den Kauf eines Objekts benötigen Anleger jedoch eine verhältnismäßig große Menge Kapital.
Natürlich kann es trotzdem sinnvoll sein, zumindest einen Teil des eigenen Kapitals auch weiterhin in Tagesgeld anzulegen. Dies gilt insbesondere für das Geld, dass jederzeit benötigt werden könnte. Mit einem guten Anlagemix können Sparer das Zinstief jedoch geschickt umgehen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Situation für Sparer durch die Zinsentwicklung in den letzten Jahren erheblich erschwert hat. Zinseinlagen wie Tagesgeld oder Festgeld lohnen sich aktuell nur noch bedingt und sollten nicht als einzige Anlagemöglichkeit genutzt werden. Ein guter Mix verschiedener Optionen hilft hier weiter, um am Ende nicht an Kaufkraft verlieren zu müssen.