Interview mit dem neuen Theaterintendanten Thomas Braus "Es gibt ein Schauspiel in der Stadt und es lebt"
Wuppertal · Thomas Braus ist zwar seit dieser Spielzeit Intendant des Schauspiels, steht aber regelmäßig selbst auf der Bühne. Aktuell kann man ihn in fünf (!) Rollen erleben — darunter in zwei Soloabenden. Kultur-Redakteurin Nicole Bolz sprach mit ihm über neue und alte Rollen und darüber, warum ihm sein Ensemble jetzt ein Care-Paket geschenkt hat.
Rundschau: Herr Braus, wissen Sie eigentlich noch, wer Sie sind, wenn Sie morgens aufwachen?
Braus: Ja doch, das weiß ich noch. Auch wenn es momentan wirklich sehr viel ist. Gestern habe ich den Higgins in "My Fair Lady" gespielt, heute geht's ab in "Die Hölle". (Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde am Montag geführt.)
Rundschau: Sie sprechen es an: Sie sind aktuell im "Sturm" ebenso zu sehen wie in "My Fair Lady" und mit ihren Soloabenden "Die Hölle / Inferno" und "Tagebuch eines Wahnsinnigen". In Bochum stehen Sie im November außerdem in dem Tanzprojekt "Proxima Centauri — In Wahrheit bin ich ein Pferd" auf der Bühne. Wann machen Sie das alles?
Braus: Aktuell ist es ein Kamikazeflug. Es ist eine Weile her, dass ich "Tagebuch eines Wahnsinnigen" gespielt habe, das ist viel Arbeit, mir den Text wieder draufzuschaffen. Das mache ich nachts, denn tagsüber habe ich genügend andere Projekte, um die ich mich kümmern muss. Ende November wird es vielleicht besser. Aber heute habe ich Geburtstag, da habe ich einen halben Tag frei — das ist beim derzeitigen Pensum wahnsinnig viel. Neben der Arbeit auf der Bühne gibt es als Intendant ja auch hinter der Bühne viel zu tun. Für "Pension Schöller" sind jetzt schon Bauproben im Opernhaus und nebenbei muss ich bereits die nächste Spielzeit planen.
Rundschau: Wo nehmen Sie die Energie her?
Braus: Meine Aufgaben sind ja sehr vielfältig. Daraus schöpfe ich Energie. Aber ich muss wohl auch irgendwann lernen, mit meinen Kräften zu haushalten. Meine Arbeitstage dauern derzeit oft bis zu 14 Stunden.
Rundschau: Zum Geburtstag natürlich unsere herzlichsten Glückwünsche. Gab es schon Geschenke?
Braus: Vielen Dank. Ja, meine Kollegen haben mir ein Care-Paket fürs Büro mit Obst, Nüssen und lauter gesunden Sachen geschenkt. Denn ich vergesse über die Arbeit manchmal das Essen.
Rundschau: Ihre Kollegen passen also auf Sie auf?
Braus: Genau. Meine Referentin sagt inzwischen auch Termine ab, weil es nicht mehr geht. Ich glaube, von manchen erzählt sie mir gar nichts mehr (lacht). Auch das muss ich lernen: Dass ich nicht mehr alle Dinge sofort erledigen kann. Ich habe eine Liste und manches davon muss ich auch mal zwei, drei Tage liegen lassen. Das fällt mir schwer.
Rundschau: Ist es eigentlich schwierig, so viele so verschiedene Rollen parallel zu spielen?
Braus: Das ist reine Trainingssache, das lernt man im Studium. Ein paar Stunden vor der Aufführung brauche ich allerdings meine Ruhe und will niemanden sehen, um mich einzufinden.
Rundschau: Wie haben Sie die ersten Wochen als Intendant wahrgenommen? Sind Sie zufrieden?
Braus: Man fragt sich natürlich: Wie wird ein Stück angenommen, schließlich ist es jetzt auch ein anderer Stil als vorher. Aber die Resonanz auf den "Sturm" und "Bilder von uns" ist überwältigend. Die Produktionen werden vom Publikum sehr gut angenommen. Darüber bin ich sehr froh.
Rundschau: Und zwischendurch sieht man Sie auch im Kulturausschuss und bei der Verleihung der "Goldenen Schwebebahn".
Braus: Ja, mir ist es wichtig, in der Stadt präsent zu sein, zu zeigen: Hier gibt es ein Schauspiel in der Stadt und es lebt.
Rundschau: "My Fair Lady" ist ja eine Zusammenarbeit von Schauspiel, Oper und Orchester. Man hat den Eindruck, dass die Chemie zwischen Ihnen, Julia Jones und Berthold Schneider stimmt.
Braus: Ja, absolut. Wir sind drei sehr unterschiedliche Typen und arbeiten auch wahrscheinlich deswegen sehr gut zusammen.