Nach Toreschluss — die Wochenendsatire Die Baumstilllegung

Wuppertal · Das sind ebenso überraschende wie gute Neuigkeiten: Deutschland ist im WM-Finale doch vertreten! Wir stellen nämlich mit Felix (9) aus Schleswig-Holstein eines von 22 Einlaufkindern. Das hatten sich Fans der DFB-Elf insgesamt zwar etwas anders vorgestellt, aber ein Einlaufkind angucken ist immer noch besser als Auslaufnationalspieler.

Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Was mir gerade auffällt: Einlaufkind ist genau genommen auch nicht so ein schönes Wort. Da könnte man ja auch an Schrumpfköpfe oder andere unappetitliche Sachen denken, die einem normalerweise erst im Erwachsenenalter begegnen. Überhaupt wird die Bedeutung von Worten viel zu selten hinterfragt. Gerade streitet man sich ja politisch darum, ob wir "Transitzentren" für Asylbewerber brauchen, die gar nicht erst einreisen sollen. "Transitzentrum" hört sich nach einer komfortablen, im Lounge-Stil eingerichteten Wartezone an, wie sie etwa an Flughäfen für Business-Class-Passagiere vorgehalten werden. Tatsächlich handelt es sich aber um etwas, das früher eher schnörkellos "Lager" genannt wurde und mutmaßlich auch so aussehen dürfte.

Aus Rücksicht auf den empfindlichen Koalitionspartner SPD hat man die "Transitzentren" jetzt aber umbenannt — in "Transferzentren". Das ist natürlich erheblich besser, eindeutiger und im Hinblick auf die Menschenwürde pietätvoller.

Die Transfertransitzentren sind übrigens nicht der einzige Blödmannsbegriff, der im Zuge der Asyldebatte erfunden wurde. 2017 habe ich über den "atmenden Deckel" gestaunt, der über die Zuwanderung gestülpt werden sollte. Ich kannte bis dahin nur atmende Dackel. Gemeint war wohl sowas wie eine flexible Obergrenze. Warum man das dann wie eine Yoga-Figur oder einen drolligen Bewohner der Sesamstraße nennen muss, wird für immer ein Rätsel bleiben.

Eine kreativ-bürokratische Wortschöpfungs-Meisterleistung sind natürlich auch die bereits seit 2015 existierenden "Aufnahme- und Rückführungszentren" für Flüchtlinge. Aufnahme- und Rückführungszentren kannten wir ja davor auch schon — unter dem Kurzbegriff "Toilette".

Möglicherweise waren an der Benennung die gleichen Verwaltungsexperten beteiligt, die voriges Jahr in Freiburg das Wort "Baumstilllegung" erfunden haben, als sie 47 Bäume in der Innenstadt beseitigen wollten. Früher sagt man dazu Fällung, aber Baumstillegung hört sich natürlich viel harmloser an. In einer viel beachten Image-Kampagne für Baden-Württemberg hieß es ja seinerzeit: "Wir können alles. Außer Hochdeutsch." Falls das örtliche Gartenbauamt in der Lage ist, auch stillgelegte Bäume wieder in Betrieb zu nehmen, kann man beides voll umfänglich bestätigen ...

Bis die Tage!