Schlag ins Gesicht der Bürger
Die gesamte Stadt diskutiert über den Döppersberg, doch den Oberbarmern und ihren Nachbarn liegt der Berliner Platz näher. Seit Jahren Streitobjekt, weil viele Menschen unterschiedlicher Herkunft "mit viel Freizeit" den Stadtplatz bevölkern und sich Bürger belästigt fühlen.
Mittwochs erfüllt ein Wochenmarkt den Platz mit Leben. Eine Umgestaltung ist das erklärte Ziel von Politik, Verwaltung und Bürgern. Die aktuelle Situation bestätigt wieder einmal die Geheimniskrämerei im Rathaus, für die die Politik den Kopf hinhalten muss.
Nachdem die erste Förderphase für die "Soziale Stadt Oberbarmen-Wichlinghausen" Ende 2015 ausläuft, hat die Stadtverwaltung ein Förderpaket von 75 Millionen Euro für vier Quartiere (Oberbarmen-Wichlinghausen, Heckinghausen, Barmen-Mitte, Elberfeld-Mirke-Nordstadt) in den Jahren 2016-2021 geschnürt und den Eigenanteil von 20 Prozent sichergestellt. Der Stadtrat hat den Antrag an die Bezirksregierung 2014 beschlossen. In Oberbarmen und Wichlinghausen geht es um eine Förderung von 12,7 Millionen Euro, zur Verbesserung der sozialen Lage und Stadtentwicklung. Die Bezirksvertretung Oberbarmen hat dem integrierten Handlungs- und Entwicklungskonzept am 4. November 2014 zugestimmt und ging davon aus, dass die Aufsichtsbehörde dem Antrag zumindest in Teilen zustimmt.
Bei einem Ortstermin im März 2015 machte die Bezirksregierung deutlich, dass Berliner und Rittershauser Platz, Bahnhofsvorplatz, Rosenau, Schöneberger Ufer und Wichlinghauser Straße allein nicht förderungswürdig sind und die Stadtverwaltung "das Projektgebiet größer denken müsse, auch bis Heckinghausen". Gegen diese städtebauliche Vorgabe mit ihrer zusätzlichen Arbeitsbelastung für das Ressort Straßen und Verkehr legte der zuständige Dezernent Frank Meyer (SPD) sein Veto ein, weil ihm das nötige Personal fehlt.
Im Verwaltungsvorstand fand er zumindest bei Oberbürgermeister Peter Jung (CDU) und Sozialdezernent Dr. Stefan Kühn (SPD) Verständnis: "Wenn wir wegen der Haushaltssanierung viele Arbeitsplätze abbauen müssen, können nicht mehr alle notwendigen und wünschenswerten Leistungen erbracht werden." Jung spricht gegenüber dem Bürgerforum Oberbarmen von "anderen Maßnahmen mit höheren Prioritäten". In der Konsequenz sendete die Verwaltung im Mai einen modifizierten Antrag nach Düsseldorf, in dem ein Förderbetrag von 1,6 Millionen Euro fehlt. Der Ärger in Politik und Bürgerkreisen: "Die Verwaltung behielt diese Entscheidung für sich!"
Erst auf Anfrage des Bürgerforums Oberbarmen bestätigte Beigeordneter Dr. Stefan Kühn, der für das Projekt "Soziale Stadt" zuständig ist, die Streichung, von der auch die Politik erst aus der Öffentlichkeit erfuhr und vor allem die Bezirksvertretung Oberbarmen gereizt reagierte. Burkhard Rücker, Fraktionsvorsitzender der CDU: "So werden alle Bürgerbemühungen zunichte gemacht, denn an der Konzeptentwicklung waren Bürger und Bürgerforum Oberbarmen in Workshops und Diskussionen beteiligt. Die ganze Arbeit war umsonst. Dieser Informationsmangel stellt das politische Selbstverständnis in Frage."
SPD-Kollege und Stadtverordneter Frank Lindgren: "Das ist ein Schlag ins Gesicht der Oberbarmer. Wieder einmal wird der Osten benachteiligt. Erst drängt die Bezirksregierung auf größere Verbesserungen und dann hat die Verwaltung kein Personal. Dieser Grund ist ein Todschlagargument."
Tief enttäuscht reagierte auch das Bürgerforum Oberbarmen, für das der Berliner Platz seit 1997 ein Reizthema ist. Bernd Schäckermann, amtierender BFO-Vorsitzender: "Wir opfern viele Stunden unserer Freizeit, um gemeinsam mit Verwaltung und Politik das soziale Leben und die Stadtteilentwicklung zu verbessern, auch in den Arbeitskreisen Berliner Straße, Wichlinghauser Straße, Schwarzbach und Klingholzberg-Hilgershöhe. Da sind Geheimniskrämerei und Geldstreichung für ein vertrauliches Miteinander Gift!"
Presseamtsleiterin Martina Eckermann: "Natürlich ist allen Leistungseinheiten der Verwaltung bewusst, dass für die engagierten Bürger die Entwicklung ihres Quartieres eine Herzensangelegenheit von hohem Stellenwert ist. Daher ist uns auch die Botschaft wichtig, dass es eine Gesamtentwicklung für den Bereich Berliner Platz und sein Umfeld geben muss."
Das unausgewogene Antragspaket kritisiert Burkhard Rücker über das Stadtteilzentrum hinaus: "Für den Berliner Platz, an dem wegen der Förderzweckbindung bis 2020 keine baulichen Veränderungen vorgenommen, aber gute Pläne geschmiedet werden können, ist jetzt kein Geld eingeplant."
Auf die Frage, ob das Fördergeld wirklich verloren ist, antwortet Stefan Kühn: "Beim ersten Soziale-Stadt-Programm Ostersbaum gab es beispielsweise beim Bunker auf dem Platz der Republik auch ein Ja-Nein-Ja, bis wir eine kostengünstige Abrisslösung gefunden haben. Städtebaufördermittel werden Jahr für Jahr beantragt." Presseamtsleiterin Martina Eckermann: "Förderprogramme, erst recht, wenn sie über lange Zeiträume angelegt sind, sind nie statisch. Die Projekte werden sukzessive mit Planungen und Kostenschätzungen unterlegt und jahresweise umgesetzt. Innerhalb des Programms "Soziale Stadt" können Projekte selbstverständlich zu einem späteren Zeitpunkt qualifiziert, priorisiert und geplant werden." Oberbürgermeister Jung sieht keinen Verlust: "Bisher gibt es überhaupt noch keine Planung, auf deren Grundlage Fördermittel beantragt werden könnten."
Kleinste Verbesserungen sind für den Berliner Platz auf den Weg gebracht: Die BV Oberbarmen stimmte zu, dass, aus dem laufenden Haushalt finanziert, eine leer stehende Imbissbude und Pavillons abgebaut, Baumstrahler gegen Angsträume eingebaut, ein Spielpunkt aufgestellt und die Toilette mit einer neuen Schließung ertüchtigt werden. BV-Mitglieder unisono: "Niemand weiß, wie und ob es funktionieren soll, dass rund um die Uhr WC-Nutzer Coins am Kiosk abholen sollen."