Im Interview: Klaus Heß, Gegner der Freihandelsabkommen "Stadt sollte selbst handeln"
Seit Monaten verhandeln die EU und die USA über eine transatlantische Investitionspartnerschaft — kurz TTIP. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel das Abkommen für einen Beitrag zur deutsch-amerikanischen Freundschaft hält, der die Wirtschaft weltweit ankurbeln werde, machen sich die Kritiker des weitgehend hinter verschlossenen Türen ausgehandelten Abkommens Sorgen.
Einer von ihnen ist Klaus Heß vom "Wuppertaler Aktionsbündnis gegen TTIP und andere Freihandelsfallen".
Herr Heß, TTIP will Handelsbeschränkungen beseitigen, Zölle sollen ebenso wegfallen wie doppelte Zulassungsverfahren zum Beispiel für Autos und dergleichen mehr. Klingt doch ganz vernünftig, oder?
Wenn es so einfach wäre, dann hätten Sie sicher Recht. Tatsächlich geht es bei den Verhandlungen aber um viel mehr.
Zum Beispiel?
Nehmen wir mal die Wasserversorgung, den Öffentlichen Nahverkehr, die Müllabfuhr oder auch die Kulturangebote. Bislang entscheiden in den Kommunen demokratische legitimierte Gremien, wie das alles geregelt werden soll. Wenn TTIP ratifiziert wird, droht die Gefahr, dass über kurz oder lang all diese Dienstleistungen ausgeschrieben werden müssen. Jeder darf sich darum bewerben. Damit ist es dann nur noch eine Frage der Zeit, bis Großkonzerne die öffentliche Daseinsvorsorge übernehmen. Und die wollen natürlich in erster Linie damit Geld verdienen.
Sehen Sie da nicht ein wenig zu schwarz?
Leider nein. Denn wie das abläuft, kann man in Lateinamerika sehen, wo solche Freihandelsabkommen bereits abgeschlossen wurden. Dort liefern europäische Konzerne das Wasser aus umzäunten Seen, die für die Bürger folglich tabu sind. Da steht die wirtschaftliche Existenz ganzer Bevölkerungsteile auf dem Spiel.
Und es gibt keine Chance, sich dagegen zu wehren?
Im Abkommen sind auch private Schiedsgerichte vorgesehen, vor denen Banken, Konzerne und andere Großunternehmen ganze Staaten verklagen könnten, wenn ihre Gewinnerwartungen durch politische Entscheidung geschmälert werden. Da kann es schnell um mehrstellige Millionenbeträge gehen. Konkret gesagt: Wenn Wuppertal nach der Verabschiedung von TTIP seine öffentlichen Dienstleistungen nicht ausschreibt, drohen Klagen von privaten Anbietern. Weil im Abkommen Investitionsschutz vor Verbraucherschutz geht, haben Unternehmen alle Chancen, ihre Schadensersatzforderung auch durchzusetzen.
Das kann doch eigentlich den Kommunen nicht gefallen...
Da haben Sie durchaus Recht. Der Deutsche Städtetag hat sich sehr kritisch zu TTIP geäußert, eben weil er befürchtet, dass die Kommunen mit dem Abkommen ihr Selbstbestimmungsrecht verlieren könnten.
Teilt die Wuppertaler Politik diese Sorgen?
Ja, der Rat hat mehrheitlich die Stellungnahme des Städtetags begrüßt. Wir hatten allerdings beantragt, dass die Stadt selbst handeln sollte. Ein klares Signal wäre es, wenn sie bei der Bundesregierung und der EU gleichermaßen vorstellig würde, um die Befürchtungen im Zusammenhang mit den möglichen Auswirkungen des Abkommens zu unterstreichen.