Leser Vertrauen erschüttert
Betr.: "Fotos, die das Land bewegten", Rundschau vom 15. August
Das Gladbecker Geiseldrama ereignete sich, als mein Ehemann und ich Mitte 20 und gerade verheiratet waren. Damals geschahen in der bundesdeutschen Medienlandschaft Dinge, die wir bis dahin für völlig unmöglich gehalten hatten und die unser Vertrauen in die Presse nachhaltig erschütterten.
Wir mussten lernen, dass zunehmend sensationslüsterne Schlagzeilen und das Verbreiten von Halbwahrheiten zur journalistischen Normalität wurden. Gleichwohl entwickelte sich aber gerade in der jüngeren Vergangenheit eine gegenläufige Strömung. Die Erkenntnis, dass nicht immer alles, was an Bildmaterial vorhanden ist, auch gezeigt werden muss sowie ein sich etwas zurücknehmender Journalismus, dem es weniger um Schlagzeilen als vielmehr um tatsächliche Informationen geht, setzen in Zeiten von Gaffer-Videos und Fake-News die richtigen Akzente.
Deshalb kann ich nicht im Geringsten nachvollziehen, was Sie dazu bewogen haben kann, anlässlich des traurigen Jahrestages des Gladbecker Geiseldramas nicht nur einem Pressefotografen, der damals in das Treiben der Medien involviert war, soviel Raum zu widmen. Vielmehr schrecken Sie auch nicht davor zurück, "eine der exklusiven Luftaufnahmen" erneut zu veröffentlichen. Dort ist neben demolierten Autos auch der abgedeckte Leichnam einer Geisel zu erkennen. Sich vorzustellen, was solche Aufnahmen bei den Angehörigen der jungen Frau auslösen, übersteigt unser — und ganz offensichtlich auch Ihr — Vorstellungsvermögen.
In der Hoffnung, dass Sie zukünftig auf diese Art von Journalismus verzichten, verbleiben wir hochachtungsvoll.
Thomas und Andrea Stöcker