Nach Toreschluss - die Wochenend-Satire Die tauchende Maus
Im Moment sind Gartenbesitzer besonders gefordert. Das ganze Grünzeug wächst noch schneller als die griechischen Staatsschulden. Ein durchaus großes Grundstück mit Goldfischteich bewirtschaftet dabei auf den Wuppertaler Nordhöhen die mit mir befreundete Familie Huhn (Name aus Diskretionsgründen geändert).
Selbige ärgerte sich schon im Frühjahr über kargen Rasenwuchs.
Herr Huhn brachte daher große Mengen einschlägigen Düngers aus, die dank Hanglage von einem sintflutartigen Regenguss ungünstig verteilt wurden. Unten sah es kurz danach so schön grün aus wie in Wimbledon vor Turnierbeginn und oben wie bei Kojak auf dem Kopf. Also sehr kahl.
Die Nachbesserungsarbeiten waren noch in vollem Gange, als Familie Huhn dieser Tage plötzlich einen grausamen gärtnertischen Rückschlag erlitt: Der noch im Entstehen begriffene Rasenteppich präsentierte sich plötzlich von unzähligen Löchern in der Dimension der Ziele auf Minigolfbahnen übersät. Und zwar ohne Maulwurfshaufen, so dass sich die Greenkeeper auf die Suche nach anderen Verursachern machen mussten.
Nahezu zeitgleich erspähte Frau Huhn im Goldfischteich eine ihr unbekannte Lebensform, die sie auf der Stelle näher inspizierte. Dort im Wasser schwamm eine Art Maus, die aber keine spitze Nase hatte, sondern eine ziemlich platte Runkel. Nicht unähnlich der, die bis heute das Gesicht des einst mäßig erfolgreichen Mittelgewichtsboxer Graciano Rocchigiani verunzierte. Darüber ruhten bei dem verknautschten Mäuserich zwei schwarze Knopfaugen, aus denen Goldfischteich-Nessie Frau Huhn frech anguckte, um dann ab- und nicht mehr aufzutauchen.
Der moderne Mensch behilft sich in solchen Situationen mit einer Internetrecherche. Frau Huhn gab also das Stichwort "tauchende Maus" in einschlägige Suchmaschinen ein und stieß auf die wasserliebende Schermaus. Dabei handelt es sich um eine Art Jacques Cousteau unter den Nagetieren. Die Schermaus fühlt sich im Wasser wohl, buddelt aber unabhängig davon auch so gerne unter der Erde vor sich hin, dass eine größere Population die Tiefbauarbeiten am Döppersberg mutmaßlich dreimal so schnell erledigen könnten wie die damit beauftragten Firmen.
Leider hat die Schermaus dafür keine Zeit, weil sie weitgehend damit ausgelastet ist, sich fortzupflanzen. Jede Schermaus-Frau bringt es jährlich in drei bis vier Würfen auf zirka 23 Nachkommen, die ihrerseits nach zwei Monaten wieder geschlechtsreif sind. Frau Huhn brach ihre Multiplikationsversuche nach kurzer Zeit ab und gab stattdessen das Stichwort "Schermäuse bekämpfen" ein.
Da angeln insgesamt wenig aussichtsreich erscheint, soll Herr Huhn die Schermäuse jetzt mit Kohlenmonoxid ausräuchern. Das klappt aber nur, wenn er alle Löcher bis auf eins schneller verschließen kann als die Mäuse neue graben. Erste Anzeichen sprechen dafür, dass die buddelnden Bademeister dieses Wettrennen gewinnen werden.
Deshalb rate ich Familie Huhn dazu, aus der Not eine Tugend zu machen: Sie können ihre Schermäuse im neuen Fundmeldesystem der Biologischen Station Mittlere Wupper unter bsmw.de eintragen. Dort kann man laut Anleitung "selten gewordene Arten eintragen, wo die Freude groß ist, sie gefunden zu haben". Da ich niemand kenne, der schon mal von einer Schermaus gehört hat, könnten Huhns dann vielleicht demnächst Eintritt für ihren Garten verlangen ...
Bis die Tage!